Füttern nicht verboten, oder?
Jetzt ist es passiert: Andrea hat angefangen, Kutshe zu füttern. Im Geheimen! Eine Woche lang hat sie sich rausgeschlichen und ihm fast jeden Tag etwas gegeben. Und ich habe das nicht bemerkt. Naja, wir hatten während der Woche Besuch und ich war wohl abgelenkt. Aber dass sie das geheimgehalten hat vor mir… Ich bin immer noch erschüttert.
Dabei hatten wir doch einmütig entschieden, dass wir damit gar nicht erst anfangen. Wir wollen Kutshe doch nicht abhängig von uns machen; wenn er erstmal an Futter von uns gewöhnt ist, fällt es ihm womöglich schwerer, es woanders zu finden, wenn wir mal nicht da sind.
Und wir wollen uns auch nicht enger an Kutshe binden durch Fürsorglichkeiten. Denn wenn wir ihm etwas geben, haben wir dann nicht auch irgendwie die Erwartung, dass wir etwas zurückbekommen, z.B. Treue?
Als Andrea mir gestanden hat, was sie da angefangen hatte, war ich sehr verärgert. Nein, das stimmt nicht. Ich wollte sehr verärgert sein; in Wirklichkeit konnte ich ihren Impuls aber gut verstehen und fand es gar nicht schlecht, dass wir uns ein bisschen mehr um Kutshe kümmern. Es fühlt sich irgendwie richtig an bei der Beziehung, die sich inzwischen entwickelt hat.
Wir sind also eingeknickt. Hochundheilig hatten wir uns vorgenommen, uns nicht vom Hund vereinnahmen zu lassen… doch wer kann diesen Hundeaugen schon widerstehen?
Aber wir wollen ihn nicht verwöhnen! Er soll nicht seine Kompetenz zur Selbsternährung — wie auch immer das bisher geschehen sein mag — gänzlich untergraben. Deshalb ist unsere Entscheidung, dass wir ihn nur jeden zweiten Tag füttern.
Dann gibts aber was Gutes: Muskelfleisch. Oder auch mal Leber. Damit toppen wir bestimmt, was er sonst von mitleidigen Menschen bekommt, z.B. Brot oder Reste vom Mittagessen. Mit Fleisch fangen wir mal an. Vielleicht gibts auch mal Trockenfutter. Wir schauen mal, was der Supermarkt hergibt.
Sobald wir aus der Hoftür treten mit einem Napf voll Fleisch, weiß Kutshe schon aus der Ferne, was los ist. Seine Aufregung kennt kaum Grenzen. Das ist niedlich zu sehen. Die Freude, ihm etwas Gutes zu tun, überwiegt nun bei uns. Wenn wir mal nicht da sein können, kriegt er das schon hin. Oder wir kriegen irgendetwas für ihn hin. Mal sehen. Im Moment wollen wir uns darüber noch keinen Kopf machen. Dem natürlichen Impuls doch nachgegeben zu haben, unserem Mitbewohner das Leben etwas zu verschönern, ist im Hier und Jetzt uns erstmal genug. Andrea ist erleichtert, ich bin erleichtert.